Kirik
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Historische Übersicht

Die Evangelisch-lutherische St. Petri-Gemeinde und -Kirche in Tartu.

Die Petri-Gemeinde in Tartu wurde am 27. Oktober 1869 (nach dem alten Kalender) durch Abtrennung von der St. Mariengemeinde gegründet. Mitglieder waren die in der Stadt Tartu wohnenden estnischen Bürger, so dass die Petrigemeinde als erste estnische Kirchengemeinde in der Stadt Tartu anzusehen ist.

Am 31. Mai 1882 wurde für das Kirchengebäude der Grundstein gelegt und schon am 16. September 1884 (beide Daten nach dem alten Kalender) konnte dieses zum Abhalten von Gottesdiensten geweiht werden. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die Gottesdienste in der Johanniskirche durchgeführt. Die Kirche stellt ein Beispiel für den im 19. Jahrhundert geltenden neugotischen Stil dar (Architekt Viktor Schröter, Baumeister Gustav Beermann).

Die neben dem Platz des ersten gesamtestnischen Sängerfestes (1864) errichtete Kirche ist ein repräsentatives Ziegelgebäude. Sie besitzt fünf Türme (4 Eck- und 1 Hauptturm, der 56,5 m hoch ist), die im Jahr 1903 fertiggestellt wurden. 1904 wurde eine Turmuhr angebracht. Im Innenraum finden dank der beidseitigen Seitenbalkone 1.500 Menschen Platz. Zur Ausstattung gehören ein Altargemälde von Prof. J. Köler "Der rufende Christus" (1890) und eine Konzertorgel mit 23 Registern aus dem Jahr 1891 von Meister Müllverstedt, deren letzte Generalüberholung 2001 stattgefunden hat. 1987 wurde eine Zentralheizung in die Kirche eingebaut.

Zu der Kirchengemeinde gehörten die Pfarrhäuser der I. und II. Beichtgemeinde, die beide 1944 zerstört wurden und das Konfirmations- sowie Schulhaus (Architekt. G. Hellat ) von 1910, das nach dem 2. Weltkrieg in ein Industriegebäude umgebaut und 1996 der Gemeinde zurückgegeben wurde. Zu allen Zeiten ist die Gemeinde seit ihrer Gründung Erzieherin und Pflegerin der estnischen Sprache und Kultur gewesen. Im fremdsprachlichen Kulturmilieu der Stadt wurde die Jugend hier erstmalig in der estnischen Sprache ausgebildet. Während der Sowjetzeit diente die Kirche als Stützpunkt für die an Protestkundgebungen teilnehmende Schuljugend, die sie sich an kirchlichen und nationalen Gedenktagen am Grab des Helden des Freiheitskriegs J. Kuperjanov versammelte.

1912 zählte die Gemeinde 22378 Mitglieder, deren Zahl sich in der ersten Unabhängigkeitsperiode auf 27000 Menschen erhöhte, was ungefähr die Hälfte der damaligen Einwohnerschaft der Stadt bedeutete. Nach den Menschenverlusten im und nach dem 2. Weltkrieg nahm die Mitgliederzahl immer mehr ab. Diese Entwicklung verstärkte sich besonders durch die kirchenfeindliche Politik während der Sowjetzeit. Infolge der atheistischen Politik, die zu den Zeiten von N. Chruschtow ihren Anfang nahm und zu den Zeiten von L. Breschnew sich besonders auswirkte, gab es im Jahr 1985 in der Gemeinde lediglich 483 zahlende Mitglieder.

Die nationale Wiedererweckung in den Jahren 1988–1991 brachte eine spontane Hinwendung zur Kirche mit sich. 1990 fanden 549 Taufen, 495 Konfirmationen, 128 Trauungen statt. Die Anzahl der zahlenden Mitglieder betrug 1992 1380 Menschen.

In dieser Zeit nahmen die Sonntagsschule, regelmäßige Konfirmationslehrgänge, der gemischte Chor und der Kammerchor, ein Bibelkreis, und die soziale Arbeit ihre Tätigkeit auf. Die Tradition der Kirchenkonzerte wurde wiederbelebt. Es wurde angefangen, spezielle Gottesdienste für Schulen u.a. Institutionen zu organisieren; Dramatisierungen der Bibelgeschichten und Orgelmusikfestivals durchzuführen. Die Menschen in der Stadt Tartu entdeckten die Kirche wieder als Trägerin der unveränderlichen estnischen Identität, der man vertrauen und sie wertschätzen kann.

1948 wurde die Mariengemeinde von den Behörden aufgelöst. Deren Mitglieder traten darauf hin als eigene Beichtgemeinde der Petrigemeinde bei. Im Jahr 1997, nachdem die Rechte der Gemeinde wiederhergestellt waren, zogen sie in ihr zurückgegebenes Konfirmationshaus Õpetaja 5 um. Anfang der 90er Jahre genoss die finnische Gemeinde in unserer Kirche Gastrechte.

 

Die Gemeinde ist vielfältig in partnerschaftliche Beziehungen eingebunden. Es haben sich stabile Freundschaftsbeziehungen zwischen Menschen aus dem Kirchenkreis Lüneburg und mit der Gottsunda-Gemeinde in Uppsala und unserer Gemeinde entwickelt. Daraus ergaben sich Unterstützungen sowohl für die finanzielle Ausstattung, die Jugend- und Musikarbeit als auch die Orgelrenovierung. Anfang der 90er Jahre konnten die farbigen Bogenfenster in der dritten Etage des Kirchenraumes durch Mithilfe einer kanadischen Auslands-Estin, dem ehemaligen Gemeindemitglied Erica Bockfeldt, gründlich renoviert werden. Bemerkenswert ist die Hilfe der Stadtverwaltung: Ende der 80er Jahre fand eine allgemeine Renovierung der Fassaden statt, im Jahr 2000 konnte so das gesamte Stromversorgungssystem erneuert werden. Weiter beteiligte sich die Stadtverwaltung an der Orgelreparatur und unterstützte finanziell den Austausch der Wärmeanlage. Die Orgelrenovierung kam vor allem dank eines Hilfefonds zustande, an deren Spitze der Propst em. Toomas Põld aus Bielefeld, Deutschland stand.

Pastoren, die der Gemeinde gedient haben.

- Wilhelm Gottfried Eisenschmidt (Dienstzeit 1869–1922), 1. Beichtgemeinde;
- Arnold Laur (1912–1922), 2. Beichtgemeinde;
- Probst Julius Rutopõld (1923–1936), 1. Beichtgemeinde;
- Jaan Treumann (1923–1941), 2. Beichtgemeinde;
- Dr. Jaak Taul (1936–1944), 1. Beichtgemeinde;
- Mag. Jaan Muru (1941–1944), 2. Beichtgemeinde;
- Probst August Janni (1942–1981);
- Kalle Mesila (1981-2010 ).

Bekanntere Kirchenmusiker, die der Gemeinde gedient haben.
- B. Stern (1870-1891);
- Karl Lampson (1892-1934);
- Johannes Kärt (Jaak Karis; 1924-1944);
- Leonhard Wirkhaus (1933-1944); Erster Vorsteher der Gemeinde estnischer Nationalität in den Anfangsjahren der Gemeinde.
- Dr. med. Heinrich Koppel (später Rektor der Universität Tartu).